TEMPORAMORES - Newsletter # 240 - 18.10.2015




KURZMELDUNGEN

Diesmal wollen wir uns mit einigen sehr gelungenen Werken der Sekundärliteratur beschäftigen, die in den letzten Monaten Eingang in meine Handbibliothek fanden.

Bereits etwas älter ist der Essay-Band IM WALD DER FIKTIONEN (Hanser, 1994, 199 S.) von Umberto Eco, der „sechs Streifzüge durch die Literatur“ enthält. Die von Eco in Harvard gehaltenen Poetik-Vorlesungen entführen in den Wald der Weltliteraturen, den mit ihm zu Durchstreifen der italienische Semiotiker seine Zuhörer/Leser auffordert. Dabei entdeckt er eine fast unendliche Artenvielfalt, deren Katalogisierung und Kategorisierung ihm geradezu sinnliche Freude bereitet. Aber egal, ob er sich gerade über Märchen, Kriminalromane, Hochliteratur, Klassiker oder Schundromane beugt, immer steht dabei die Vermittlung der gewonnenen Erkenntnisse an sein Publikum im Mittelpunkt. Ohne Leser wird der Wald zum Dschungel.

Und nun: auf die Knie, all ihr Kleingläubigen, Zweifler und Unkenrufer! Es liegt vor mir, DAS SCIENCE FICTION JAHR 2015 (Golkonda, ISBN 978-3-944720-48-7, 650 S.) – und siehe, es war gut. Durch das größere Format der bei Golkonda üblichen Klappenbroschur wirkt das Jahrbuch etwas schlanker als die zuletzt bei Heyne üblichen „Backsteine“, aber ein Blick ins Inhaltsverzeichnis lässt schon erkennen, was die spätere Lektüre bestätigt: Es fehlt nichts! Nahtlos, „wie beim Staffellauf“, wurde der „Stab“ übergeben. Als Herausgeber firmieren Hannes Riffel und Sascha Mamczak, die Redaktion blieb Größtenteils bei der Stange und die kleinen Änderungen, die sich erkennen lassen, dienen durchgängig der besseren Lesbarkeit und der Konzentration auf das Wesentliche. Bleibt also nur, ein paar Highlights des inzwischen dreißigsten SF-JAHRes hervorzuheben: Über 70 Seiten Erinnerungen an Wolfgang Jeschke, ein Beitrag von Ken Liu über „Chinesische SF“, ein Interview mit MARSIANER-Autor Andy Weir, Dietmar Dath schreibt über Greg Egan und Michael K. Iwoleit über deutschsprachige Science-Fiction-Kurzgeschichten – wie gesagt: nur die Spitze des „Eisbergs“. Darauf ein kräftiges: WEITER SO!

Der oben bereits erwähnte Michael K. Iwoleit, selbst Autor von Romanen und Kurzgeschichten, aber auch als Übersetzer und Herausgeber (NOVA) tätig, hat bei DvR (ISBN 978-3-945807-01-9, 240 S.) einen Sammelband mit acht „Essays zur Short Science Fiction“ vorgelegt, die in veränderter Form in den letzten zwanzig Jahren verstreut in Magazinen und Jahrbüchern erschienen. Der REDUCTIO AD ABSURDUM betitelte Band enthält Arbeiten über das Kurzgeschichtenwerk von J. G. Ballard, Philip K. Dick und Theodore Sturgeon, was zu erwarten war, nur um dann auf relativ unbekannte Autoren wie David I. Masson, Lucius Shepard, Greg Egan und Carter Scholz einzugehen. Der einführende Essay „Ein Tribut an die Science-Fiction-Story“ betrachtet das ganze Genre als auf einem Fundament von Kurztexten aufgebaut, deren literaturwissenschaft-liche Erforschung immer noch sehr im Argen liegt. Eine Liebeserklärung an die Short Story!



ZITAT

Servus, Wolfgang!“

Udo Klotz – Nachruf auf Wolfgang Jeschke in: DAS SCIENCE FICTION JAHR 2015 (S. 57)



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