TEMPORAMORES - Newsletter # 239 - 25.9.2015




KURZMELDUNGEN

Kurz vor der Buchmesse fluten die Verlage wie jedes Jahr die Büchertische. Deshalb hier eine kleine Übersicht über soeben erschienene Titel, die einer näheren Betrachtung würdig scheinen.

Beginnen wir mit FINDERLOHN (Heyne, ISBN 978-3-453-27009-1) von Stephen King. Der Nachfolger von MR. MERCEDES ist ein gelungener Kriminalroman, der geschickt auf die dort geschilderten Ereignisse eingeht, sie jedoch neu interpretiert und durch die Einführung neuer Handlungsträger eine überzeugende Eigenständigkeit gewinnt. Selten wusste der Mittelband einer Trilogie so zu fesseln. Nach 540 Seiten (bzw. 18 Stunden Hörbuch hören) schließt man das Buch in bangem Erwarten auf den nächsten Teil – und in der Gewissheit, dass Ex-Detective Bill Hodges noch einiges vor sich hat, bevor er seinen Ruhestand genießen kann.

Der englische Autor Kazuo Ishiguro hat mit seinem neuen Roman DER BEGRABENE RIESE (Blessing, ISBN 978-3-89667-542-2, 414 Seiten) einen „Zwitter“ vorgelegt, der genau auf der Grenze zwischen historischem Erzählen und Fantasy angesiedelt ist. Als Gegenstück zum Artus-Mythos erzählt er eine märchenhafte Parabel von der Suche eines Ehepaares nach ihrem Sohn und von ihrem Zusammentreffen mit einem Ritter, der den Drachen töten will, der England mit einem bösen Nebel aus Verzweiflung und Vergessen überzieht. Ein Buch, das geeignet ist, heftige Kontroversen auszulösen – ein gutes Buch also.

Mit LIEBE IST DER PLAN (Septime, ISBN 978-3-902711-37-3), dem zweiten Band der „Sämtlichen Erzählungen“ von James Tiptree jr. liegen jetzt alle sieben Bücher der Reihe vor und es darf gejubelt werden. Neben Philip K. Dick ist Tiptree die wohl wichtigste US-amerikanische Vertreterin der Science-Fiction-Kurzgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Umso wichtiger ist es, dass ihr Werk endlich in einer herausragenden Edition auf Deutsch vorliegt. Für Komplettisten und Fans ist noch ein Essayband geplant und in den nächsten Jahren sollen wohl auch die zwei Romane erscheinen – doch ihr Hauptwerk sind die 74 Stories, die man nun von vorne nach hinten (oder auch querbeet) genießen kann.

Russland hat mehr zu bieten als jede Woche einen neuen Roman von Dmitry Glukhovsky und so können sich alle, die sich gerne mit den Auswüchsen der Verzweiflung beschäftigen, welche die russische Seele hervorbringt, an TELLURIA (KiWi, 978-3-462-04811-7, 415 Seiten) von Vladimir Sorokin schadlos halten. Sorokin gehört zu den besten und mutigsten Autoren des Landes und viele seiner Werke gehören zur phantastischen Literatur. In TELLURIA springt er ein halbes Jahrhundert in die Zukunft und zeigt ein zerfallenes Eurasien, in dem einzig die Republik Telluria Hoffnung verspricht – allerdings muss man sich dort Tellur-Nägel in den Kopf hämmern lassen. Auch nicht jedermanns Sache!



ZITAT

Erschüttern müssen wir die Kremlmauern! Er-schüt-tern! Err-schüt-terrn!“

„Nicht erschüttern, sondern zerschmettern. Und nicht Mauern, sondern morsche Köpfe.“

Valadimir Sorokin – TELLURIA (S. 5)



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