TEMPORAMORES - Newsletter # 216 - 6.4.2014




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Nachdem es sich die großen deutschen Verlage seit einigen Jahren erlauben, eine Autorin wie Ursula K. Le Guin „links liegen“ zu lassen, ist es dem kleinen, aber rührigen Atlantis Verlag gar nicht hoch genug anzurechnen, dass er sich der großen alten Dame der amerikanischen Science Fiction angenommen hat und ihren weltweit gefeierten Kurzroman PARADISES LOST (2002) jetzt unter dem Titel VERLORENE PARADIESE (ISBN 978-3-86402-161-9, 150 Seiten) zeitgleich als Buch und e-book veröffentlicht.

Der Roman behandelt die Erlebnisse der Besatzung eines Generationenraumschiffs, das bereits seit mehr als einhundert Jahren von der Erde aus unterwegs ist, um einen erdähnlichen Planeten zu erforschen und auf eine mögliche Besiedlung hin zu überprüfen. Allerdings entwickelt sich weder das Zusammenleben an Bord der Discovery so wie geplant, noch verläuft die Reise durch den Weltraum nach den ursprünglichen Vorgaben. Als der Zielplanet dann erreicht wird, müssen sich die Menschen im Schiff entscheiden, ob sie ihren Auftrag erfüllen wollen, oder ob sie einem religiösen Führer auf seinem Weg zum „ewigen Leben“ folgen wollen …

Ursula K. Le Guin erzählt diese Geschichte in einem wunderschönen, unaufgeregten Stil, der in gewohnt konzentrierter Form alles Wesentliche enthält und dabei die zwei Hauptprotagonisten in einer Tiefe und Lebendigkeit präsentiert, dass man schon nach wenigen Seiten in Hsing und Luis verliebt ist und ihren Lebensweg begleitet, wie den von Freunden oder Familienmitgliedern. Dabei ist die Oberflächenhandlung mit einem vielschichtigen Geflecht aus literarischen und philosophischen Anspielungen, sozio-psychologischen Betrachtungen und religionskritischen Erwägungen unterfüttert – der Mikrokosmos im Inneren der Discovery als Spiegel der Ereignisse in der (unserer) Außen-Welt.

VERLORENE PARADIESE gehört nicht in den Bezugsrahmen der „Hainish“-Geschichten, sondern steht singulär im Gesamtwerk der Schriftstellerin. Als utopisches Spätwerk ist es das Ergebnis einer lebenslangen Suche nach der „Besten aller Welten“ – und nach einer Zukunft in der Autorin und Leser gleichermaßen gerne leben wollen.

Der Text wurde von Horst Illmer ins Deutsche übertragen, ein Vorwort der Autorin und ein Nachwort des Übersetzers bilden den adäquaten Rahmen, das umlaufende Einbandmotiv stammt von der Würzburger Künstlerin Maran Alsdorf.



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ZITAT

Die Erschaffung eines Universums ist Schwerstarbeit. Jehova nahm danach eine Auszeit, Vishnu gönnte sich ein Mittagsschläfchen. Science-Fiction-Universen sind nur winzige Wort-Welten, aber selbst dafür braucht es einiges Nachdenken; und bevor sie sich für jede Geschichte ein neues Universum ausdenken, bevorzugen es einige Autorinnen, ein bereits vorhandenes Universum weiter zu verwenden, manchmal solange, bis es sich ganz weich anfühlt und ein wenig wie an den Rändern ausfranst und es passt wie ein altes T-Shirt.“

Ursula K. Le Guin – „Vorwort“; in: VERLORENE PARADIESE (S. 7)

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