TEMPORAMORES - Newsletter # 185 - 18.5.2012




KURZMELDUNGEN

Da sich „HOBBIT mit Fußnoten“ vermutlich nicht so gut verkaufen lässt, ist man bei Klett-Cotta auf die (auch nicht besonders schöne) Lösung DAS GROSSE HOBBIT BUCH verfallen, um die von Douglas A. Anderson kommentierte Ausgabe des THE ANNOTATED HOBBIT auch dem deutschen Fan-Publikum zugänglich zu machen. Für das Buch sprechen, neben den bis ins kleinste Detail reichenden Anmerkungen Andersons, die wunderschöne Aufmachung mit Farbtafeln auf Kunstdruckpapier, zweifarbigem Druckspiegel, Lesebändchen und vielen einfarbigen Illustrationen, sowie ein Anhang über die deutschen HOBBIT-Ausgaben von Lisa Kuppler. Den positiven Gesamteindruck beeinträchtigen allerdings einige völlig unnötige Fehler und Ungereimtheiten: So werden z. B. aus den Fußnoten, die den Text von J. R. R. Tolkien begleiten, in der immerhin fast fünfzig Seiten umfassenden Einleitung plötzlich Endnoten; das Lektorat übersah einige Satzfehler, sodass am Ende des elften Kapitels (S. 282) vier ganze (und für das Verständnis wichtige) Absätze fehlen! Sicherlich könnte man solche „Kleinigkeiten“ übergehen, allerdings wäre gerade bei einer „annotierten“ Ausgabe, die sich ja explizit an ein anspruchsvolles Publikum richtet, etwas mehr Sorgfalt wünschenswert gewesen.

Utopisches und Dystopisches von einigermaßen Format ist in der gegenwärtigen Literatur noch seltener als in früheren Epochen zu entdecken: umso erfreulicher, dass es jetzt gleich aus jeder dieser Gattungen ein bemerkenswertes Buch vorzustellen gibt.

Die aus Nicaragua stammende Gioconda Belli hat mit DIE REPUBLIK DER FRAUEN (Droemer, ISBN 978-3-426-19915-2, 300 S.) eine aus der Zeit gefallene, liebenswerte und nur allzu-notwendige Staatsutopie verfasst, deren Handlungspersonal kluge lateinamerikanische Frauen sind, die ihren Männern die Last der politischen Führung abgenommen haben – und das durchaus zum Vorteil beider Geschlechter. Eine „Partei der Erotischen Linken“ wäre auch jenseits von Bellis utopischem Traumstaat wünschenswert.

Weit weniger Hoffnung als Gänsehaut bereitet die Zukunftswelt, die der Berliner Autor Benjamin Stein in seinem Roman REPLAY (C. H. Beck, ISBN 978-3-406-63005-7, 173 S.) entwirft. Konsequent aus der Sichtweise eines „Gewinners“ schildert der Biowissenschaftler Ed Rosen seinen Aufstieg vom ersten, mit einem interaktiven Bio-Chip ausgestatteten, menschlichen „Versuchskaninchen“ zum milliardenschweren Politiker. Seine Erfindung, optische Eindrücke des Gehirns extern zu speichern und nach Wunsch wieder abrufen zu können, macht aus der menschlichen Gesellschaft ein pornographisches Lachkabinett – dystopischer war’s lange nicht!


ZITAT

„Ich kann mir nichts Angenehmeres vorstellen, als im Alter auf dem Lande nicht allzu weit entfernt von der Stadt zu leben, meine Lieblingsbücher noch einmal zu lesen und mit Anmerkungen zu versehen.“

André Maurois – „Motto“; in: DAS GROSSE HOBBIT BUCH (S. 5)




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